Nach der vierstündigen Fähr-Überfahrt von der Insel Chiloè ist es dann am nächsten Morgen um 05:30 Uhr in Chaitèn zunächst noch dunkel und bei sechs Grad keine Verbesserung zur letzten Nacht. Aber schnell setzt die Morgendämmerung ein und nach dem ersten frisch zubereiteten Kaffee aus meiner Aufpacktaschen-Küche und ein paar Keksen fahren wir gestärkt in den Sonnenaufgang. Bei diesem Erlebnis wird sogar dem überzeugten Langschläfer Thomas das Thema mit dem „Morgenstund hat Gold im Mund“ klar. Berauscht durch diese frühen Eindrücke und mit kaum Verkehr fahren wir bis Puyuhuapi.
Da wir noch ein bisschen Zeit bis zum Einlass in unser Hostel haben, picknicken wir mittags auf Parkbänken in der Dorfmitte und lernen dort Andres, genannt Patiperro, kennen. Er ist ein ungemein symphatischer chilenischer Mopedfahrer, der mit seiner kleinen Straßenmaschine und -bereifung heute noch nach Coyhaique weiter will, inklusive des kommenden schwierigen Baustellenabschnitts und dem Queulat-Pass. Hut ab, Patiperro – wir gehen jetzt erst Mal ein Nickerchen machen und nehmen uns diese Strecke für den nächsten Tag vor.
Beim Abendessen komme ich endlich in den Genuss von Cochyuyo. Man bekommt diese getrockneten Seetang-Stangen schon recht bald an der chilenischen Küste zum Kauf angeboten. Aber erst hier kann ich mein erstes Cochayuyo Ceviche probieren: Schmeckt erwartungsgemäß ein bisschen fischig und hat eine etwas knorpelige Konsistenz. Lecker!
Der Queulat Pass
Für Einige ist der Abschnitt zwischen Puyuhuapi bis nach Coyhaique der schönste der Carretera Austral. Für mich persönlich war das Schotterstück nach Puyuhuapi inklusive des Queulat Passes meine Angststrecke. Man hatte uns schon anfangs in Santiago vor dem frisch aufgeschütteten tiefen Schotter der Baustellen gewarnt und mit Hostalito hatten wir schon die teils staubigen und buckligen Spitzkehren des Passes kennengelernt. Und so steuere ich mein Moped in einer der Kurven tatsächlich pfeilgerade in den Graben. Eigentlich ein Anfängerfehler der Zielperspektive („das Motorrad fährt dorthin, wo man hinschaut“), die bei Asphalt für mich kein Thema ist, aber nun Mal genauso für Schotter gilt! Der Verkehr zu beiden Seiten hält an und viele helfende Hände zerren die Fat Lady in Null Komma Nix aus dem Dreck. Weiter geht‘s und wir freuen uns über die Baustellen mit feuchtem Sand, besagtem tiefen Schotter, kinderbadenwannengroßen Schlaglöchern inklusive Planschwasser und Gegenverkehr auf der einspurigen Fahrbahn. Durch die Bauarbeiten ist die Carretera jeden Tag anders und hält immer positive oder negative Überraschungen bereit.
Bald wird auch dieses Stück komplett asphaltiert sein. Irgendwie auch wieder schade – denn damit geht der Abenteuercharakter verloren – aber die Natur zu beiden Seiten der Straße kann man definitiv entspannter auf Asphalt genießen. Hier ein kurzes Stück zum Mitfahren:
Nach der Ankunft in Coyhaique sitzen wir ein bisschen Schlechtwetter aus um schließlich nach Puerto Ingeniero Ibañez zu fahren. Von dort geht die Fähre über den See General Carrera nach Chile Chico, wo nach einigen Kilometern der Grenzübergang nach Argentinien kommt. Bei der Ankunft unserer Fähre, kommt Biker-Jo mit seiner Harley Pan America davon herunter. Er befindet sich bereits auf dem Rückweg von Ushuaia. Ein kurzes Hallo und eine kurze Vorwarnung auf die bevorstehende stürmische Überfahrt und schon müssen wir los.
Die Überfahrt gestaltet sich dann so, dass ich wegen der überschwappenden Gischt meine beiden Buffs vom Kopf und Hals immer wieder auswringen muss und der Nachbar vom Jeep nebendran mithilft, meine Fat Lady festzuhalten, während sein Sohn aus dem Wagenfenster reihert. Anders kann ich es wirklich nicht zusammenfassen 😝.
Aber egal – noch einmal schlafen in Chile Chico und dann entern wir Argentinien!