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Schnupperkurs Patagonien

Ab ungefähr der Mitte Chiles werden viele Fährverbindungen angeboten, da sich das Land nun zusätzlich auf der Westseite in Inseln und Archipelen auffächert. Nach einer Übernachtung in Puerto Varas wählen wir jedoch nicht den kürzeren Weg mit der Fähre, sondern einen empfohlenen Umweg zu Land. Er führt um den See Llanquihue bis in einen Fjord, trifft schließlich auf die Carretera Austral  und dann weiter an einen, nun unvermeidlichen, Fährhafen für den Weg in den Süden. Wir werden mit dem Blick auf eine umwerfende Landschaft zu beiden Seiten der meist asphaltierten und wenig befahrenen Straße belohnt. Solche satten Grüntöne und wuchernden Pflanzen und Farne haben wir das letzte Mal in Neuseeland erlebt. Trotzdem es bewölkt ist und leicht regnet, staunen wir wie Kinder. Wir sehen Mammutblätter größer als LKW-Reifen, Bambus, Hortensien und den giftigen roten Fingerhut wuchern wie Unkraut. Die Kühe auf den Weiden sind wohlgenährt, oft einfarbig braun oder schwarz und haben immer ein glänzendes Fell. 

Angekommen im relativ trostlosen und verregneten Hornopirén nehmen wir dort die Fähre nach Caleta Gonzalo. Während der dreieinhalbstündigen Fahrt kommen heftige Böen auf und der Regen wird stärker – wir sehen auf beiden Seiten des Fjords nun vermehrt Wasserfälle an den Hängen der Küsten – offensichtlich auch aktuell entstanden durch den Starkregen. Statt an der 1. Zwischenstation anzulegen, verbleibt die Fähre auf dem Wasser und uns wird langsam etwas mulmig.  Nach über einer Stunde erfahren wir, dass wir auf Grund des Windes nicht anlegen können und dass außerdem auf der Insel der Zwischenstation drei Flüsse die Straße überspült haben. Wir müssen wieder umkehren und verbringen somit ca. acht Stunden umsonst auf der Fähre. Selbst das Anlegen im Ausgangshafen gelingt nicht auf Anhieb, aber schlussendlich doch und wir haben wieder festen Boden unter den Füßen.  

Aber wie so oft, hat etwas Schlechtes auch etwas Gutes und wir lernen zwei sehr nette Paare kennen mit denen die Zeit auf dem Schiff kurzweiliger ist und verbringen mit ihnen auch noch einen schönen Abend im immer noch trostlosen Hornopirén. 

Am nächsten Tag gelingt dann die Überfahrt und Hostalito muss nur noch eine gute Stunde bis nachts um 23 Uhr über eine bucklige Schotterpiste rumpeln. Das Hostel ist gebucht und die Route führt uns in den Wald. Und wie so oft – schlimmer geht immer – die Buckel werden noch größer und es eröffnet sich eine riesige Wasserpfütze in unbekannter Tiefe mit anschließendem steilen Anstieg. Ich erkunde mit der Taschenlampe das weitere Gelände, aber das Hostel ist in unbekannter Ferne und natürlich gibt es dort keinen Handyempfang. Thomas beschließt sich und Hostalito das nicht weiter anzutun und ich lotse ihn im Stockfinsteren wieder rückwärts einen Anstieg hoch und um die Kurve. Der ganze Waldweg stinkt nach unserem Gummi. Wir fahren auf asphaltierter Strecke in die nächstgelegene Stadt Chaitén und beschließen dort entnervt um Mitternacht in Hostalito auf der Straße zu nächtigen. 
Aber schlimmer geht immer noch und es kommen Böen bis auf 84 km/h und Hostalito schaukelt ganz schön hin und her. Thomas schläft auf Grund dessen wie ein Baby, nur ich bin leicht beunruhigt. 

Am nächsten Morgen geht es weiter, bei schon etwas weniger Niederschlag und Wind und wir müssen der Macht des Regens trotzdem Respekt zollen, da sie schließlich diese phantastische Landschaft möglich macht. Wir fragen uns, wie diese Pracht denn erst bei Sonnenschein aussieht. Die Natur ist gewaltig hier, im Positivem wie im Negativen. Immer wieder sehen wir lange braune Narben an Bergen, wo ein Teil davon einfach abgerutscht ist, immer wieder Steinschlag, der teilweise schon von der unermüdlichen Straßenwacht markiert und wo eben diese Markierung von einem noch größeren Brocken platt gemacht wurde, bevor geräumt werden konnte, ab und zu fehlt dann mal das ein oder andere Stück der Straße am Fahrbahnrand, bis hin zu Erdrutschen, die die komplette Straße sperren, manchmal kaum eine halbe Stunde, nachdem wir dort gefahren sind.



Es hat viel Landschaft und kaum Städte und wenn, sind es oft nur einige Häuserreihen entlang der Straße. Nach einem Stopp im verregneten, aber idyllischen Ort Puyuhuapi nähern wir uns der nächstgrößeren Stadt Coyhaique. Sie ist Hauptstadt der Region Aysén, mit ca. 50.000 Einwohnern und spezialisiert auf touristische Ausflüge in die Nationalparks, zu den Gletschern und auch zum See General Carrera mit den einzigartigen Marmorhöhlen, wo wir hin wollen. Nach so viel Landschaftseindrücken erschreckt uns diese Stadt fast mit ihrer Lebendigkeit und wir verkrümeln uns auf einen ruhigen Campingplatz am Stadtrand. Besorgt beobachten wir das Wettergeschehen an unserem baldigen Zielort – es werden die nächsten Tage wieder Böen bis zu 70 km/h erwartet und wir wissen nicht, ob dann die Boote zu den Höhlen fahren und wie lange wir eine Fahrt dorthin vorher reservieren müssen. Auf der anderen Seite ist jetzt für zwei Tage sonniges Wetter in Puyuhuapi angesagt und dort hätten wir dann die Chance zu einem ungetrübten Blick auf den Ventisquero Colgante, den hängenden Gletscher – einer weiteren Attraktion Chiles. Wir entscheiden uns für eine wetterbedingte Planänderung und wollen daher am nächsten Tag zurück in Richtung Norden fahren.

Tatsächlich werden wir mit schönstem Wetter, einem gelungenen Ausflug in den Nationalpark Queulat, einer Bootstour auf dem Gletschersee und dem spektakulären Ausblick auf den Gletscher belohnt. Mit seiner zarten türkisfarbenen Masse gleicht er einer gigantischen Menge Azurro-Eiscreme, die aus dem Berg heraus quellen möchte. Faszinierend!

Wir treten die Rückfahrt in den Norden an und verlassen vorerst das prächtige Patagonien, das sich nun, bei Sonne, von seiner besten Seite zeigt: Regenwälder, Fjorde, Wasserfälle, schneebedeckte Spitzen von Bergen und Vulkanen, sanfte Hügellandschaften durchzogen von wilden Bächen, Seen und Flüssen in sämtlichen Schattierungen von Blau bis Grün. Wir werden mit mehr Zeit und unseren Motorrädern wiederkommen!

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