Santiago
Sie ist nicht nur Hauptstadt und Metropole – Santiago ist definitiv Südamerika, mit spürbar europäischen Wurzeln, modern, bunt, schrill und trotzdem entspannt. Großstadt unter Smog mit viel Grünanlagen, massenweise Restaurants, Imbissen, Cafès, Straßenständen und trotz Corona und Maskenpflicht noch mit viel Leben. Viel junge Leute, Indigene und eine starke LGBTQ-Bewegung prägen mit den „Normalos“ das interkulturelle Stadtbild. Die Einwohner relaxen auf den Rasen der Parks und flanieren durch Märkte, Malls, konsumträchtige Fußgängerzonen und angesagte Stadtviertel. Überall Grafittis, oft genial und manchmal störend als Gekritzel auf Hauswänden und Denkmälern. Obdachlose haben Zelte in den Grünflächen aufgebaut und werden dort auch geduldet, benutzen Brunnen als Dusche. Niemanden stört es.
Kulinarisch kommt man an Empanadas (meist mit Fleisch, Zwiebeln und Ei gefüllte Riesenteigtaschen – gebacken oder frittiert), Ceviche (rohe, in Zitrone „gegarte“ Fische oder Meeresfrüchte) und Pisco (Traubenschnaps, in verschiedenen Qualitäten – ähnlich dem Grappa) nicht vorbei. Thomas hat sich ohne „Wenn und Aber“ von Tajine auf Empanadas umgepolt. Ich feiere „Pisco Sour“ – besagter Traubenschaps mit Zitronensaft, Zucker, Eiweiß und ggfs. etwas Angostura.
Englisch wird nicht so viel gesprochen – entweder man beherrscht ein paar Brocken Spanisch oder ist gut in Pantomime. Das wird vermutlich so bleiben in Südamerika…
Der Verkehr ist schon hier in Chile ungewohnt. Kein entspanntes und defensives Chaos mehr wie in Marokko. Hier regieren Sturheit, Unvermögen und Bleifuß, was sich an den oft demolierten Autos und leider auch an den häufigen Unfällen bemerkbar macht.
Der Roadrun
Mit Hilfe der Tipps von DiscoveringTheWorld, mit denen wir uns spontan in Santiago getroffen hatten, fassen wir einen kurzentschlossenen Plan: Wir wollen in den drei Wochen, die wir mit Hostalito und dem Warten auf die Ankunft der Mopeds verbringen, an den See General Carrera fahren, der sich wiederum an der legendären südlichen Landstraße Carettera Austral befindet. Erst danach wollen wir diese Strecke in Ruhe und Schlenkern an die Küste und anderen Sehenswürdigkeiten vorbei zurück nach Santiago fahren um Hostalito zurückzugeben und in Valparaiso unsere Motorräder zu holen. Dazu rauschen wir im Schweinsgalopp die Ruta 5 bis Puerto Varas hinunter.
Colonia Dignidad
Wir machen einen einzigen Abstecher zur ehemaligen „Colonia de Dignidad“. Auf dieser, in den 70ger Jahren von einem Deutschen gegründeten Anlage, wurden im Rahmen einer Sekte viele Menschenrechtsverletzungen, von der Gefangenschaft über Folter bis hin zu Missbrauch, begangen. Sie wurde von der chilenischen Militärdiktatur unter Pinochet unterstützt – leider auch mit dem Mitwissen einiger deutscher Politiker. Das grausame Geschehen fand erst 2005 ein Ende und wurde sowohl in dem Spielfilm „Colonia Dignidad – Es gibt kein Zurück“ als auch in Dokumentationen aufgearbeitet und kann unter Anderem in Wikipedia und hier nachgelesen werden. Das Museum hatte leider geschlossen, aber die Tristesse der Anlage spricht für sich. Es leben dort bis heute noch ca. 120 Menschen.