Nach nun fast zwei Monaten in Chile und davon die letzten Wochen während der Hochsaison mit knappen Zimmern und entsprechend angezogenen Preisen, hoffen wir, dass zumindest die Unterkunftssuche in Argentinien leichter wird. Der Grenzübergang am Paso Jeimeni ist bei unserem Übertritt wenig frequentiert und wir schaffen die Aus- und Einreise in weniger als einer Stunde. Gut gelaunt steuern wir das erste Städtchen nach der Grenze an und erfreuen uns an bestem Wetter und der ausgesuchten Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Argentinier.
Wir treffen dort auf ein junges dänisches Paar – Americas by bike – das schon einige Zeit mit seinen Rädern auf den windigen Straßen hier verbracht hat, vorzugsweise auf Schotter. Ich lausche fasziniert ihren Erzählungen bis wir weiter ins nahe Perito Moreno ziehen.
Dort mache ich auf der Suche nach Straßenkarten in einer großen Tankstelle eine etwas beklemmende Entdeckung: Karten gibt es genau eine, dafür aber ungefähr zwanzig verschiedene Stichmesser, die in einer Vitrine angeboten werden. 🤔
Abgesehen davon finden wir nun tatsächlich, relativ einfach, eine schöne Cabaña für zwei Tage – inklusive Hundeanschluss.
Später sind wir hier mit Renata und Dieter verabredet, die zufälligerweise wieder unsere Route kreuzen und mit denen wir kurzweilige Stunden verbringen. Am folgenden Abend entscheiden wir uns schweren Herzens, nicht mit den beiden auf die Veranstaltung eines lokalen Bikerfestivals zu gehen, da wir am nächsten Tag früh weiter wollen. In der Nacht bekomme ich Schüttelfrost und Fieber.
Am nächsten Morgen ist scheinbar wieder Alles gut und wir fahren auf die berüchtigte Ruta 40 auf, die mit ihren über 5000 Kilometern eine der längsten Fernstraßen der Welt ist. Die ersten Guanakos (wilde Urform der Lamas und Alpakas) tauchen fast unmittelbar vor uns auf und begeistern uns zunächst. Schnell merken wir, dass es sich mit diesen langhalsigen, plüschig zotteligen Tieren ähnlich verhält, wie mit den Rentieren in Finnland: Eigentlich stellen sie eine Gefahr dar und man sieht sie besser mit dem Hinterteil zuerst. Ansonsten treten sie manchmal buchstäblich die Flucht nach vorne an und springen im letzten Augenblick direkt vor Einem auf die Straße. Langgezogene Blutspuren auf der Fahrbahn zeugen davon.
Am Anfang der Strecke kommen wir noch in den Genuss der „Tierra de Colores“, einer farbenprächtigen Felsformation, aber zunehmend wird die Landschaft karger, weiter und scheinbar unendlich. Trotz des schnurgeraden Streckenverlaufs ist Achtsamkeit und Konzentration geboten: Neben besagten häufigen Guanoko-Begegnungen lauern riesige und tiefe Schlaglöcher und plötzliche und unausgewiesene Schotterpassagen. Vom ewig zerrenden Seitenwind nebst Böen ganz zu schweigen. Wegen diesem und dem ermangelndem Vorhandensein irgendwelcher Ortschaften oder Tankstellen kommt es, dass man hier Distanzen über mehrere hundert Kilometer ohne Pause einfach durchfährt.
Wir haben zwei Übernachtungen in einem Hotel in Gobernador Gregores gebucht, dem nächstmöglichen Ort nach über 350 km auf der Ruta 40. Ich bin ausgekühlt vom schneidenden Wind und fühle mich erkältet. Nachdem ich auch die nächste Nacht Fieber habe, mache ich mal pro Forma einen Corona-Test. Der ist leider positiv. Ich verbringe den Tag im Bett und habe Angst, Thomas anzustecken. Wir entscheiden, dass es das Beste ist, sich in einem größeren Ort und einer besseren Unterkunft auszukurieren und schaffen es mit einer Zwischenetappe in die Hauptstadt der Provinz Santa Cruz, nach Rio Gallegos. Hier mieten wir uns für über eine Woche in einer kleinen Wohnung ein. Es ist eine gute Entscheidung, denn auch Thomas hat sich angesteckt, wenn auch nur mit Schnupfen. Die ständige Müdigkeit macht uns jedoch beiden zu schaffen. Wir kurieren uns aus und harren besserem Wetter um nach Ushuaia aufbrechen zu können.