Wir werden über den Fluss Paraguay in eine andere Welt katapultiert. Ganz anders – auch die Bolivianer selbst sind anders. Kein Wunder, denn das steht auch so in ihrer Verfassung:
Bolivien ist ein plurinationaler Staat, der offiziell 36 Völker und Sprachen in seinem Land anerkennt. Was aber nicht heißt, dass diese auch konfliktfrei miteinander leben. Es gibt soziale und politische Spannungen, die immer wieder für Unruhe sorgen. Bolivien war ursprünglich ein, von Fremdmächten, ausgebeutetes Land das jedoch in den letzten 15 Jahren große Fortschritte für sich erzielt hat.
San José de Chiquitos
Eines unserer ersten Ziele ist San Josè mit seinen knapp 30.000 Einwohnern, das 1697 als Missionsdorf gegründet wurde. Dort befindet sich eine immer noch aktive Jesuitenkirche aus dieser Zeit, die wir uns ansehen wollen.
Im sehr gepflegten Hotel Las Churapas wird unser angelesenes Wikipedia-Wissen nochmal nebenbei von der Inhaberin lebhaft erklärt, bestätigt und erweitert: Es gibt nicht „die Bolivianer“, sondern ganz viele verschiedene mit den Eigenheiten und Vorzügen ihres jeweiligen Heimat-Gebietes und Volkes. Meist können sie untereinander nur mit Spanisch als gemeinsame Sprache kommunizieren.
Hinter dem Hotel bäckt die Mama im Lehmofen noch selbst Spezialitäten aus Maismehl, die auch ganz vorzüglich zum sehr angenehmen bolivianischen Wein passen.
Auf Empfehlung besuchen wir ein öffentliches Konzert des hiesigen Orchesters in der besagten Jesuiten-Kirche mit der Barockmusik aus der Zeit der Missionen. Die Musik klingt, auch für uns Laien, in dieser Umgebung ergreifend und irgendwie sehr professionell. Tatsächlich wird uns am nächsten Tag bestätigt, dass dieses Orchester eine lange Tradition und schon vor dem Papst und dem Präsidenten gespielt und viele Musiker hervorgebracht hat, die in weltberühmten Orchestern spielen. Glück gehabt!
Santa Cruz de la Sierra
Wir fahren weiter in Richtung Landesmitte nach Santa Cruz. Es ist die größte Stadt Boliviens, modern, wohlhabend, mit hohem Wirtschaftsfaktor und 1,4 Millionen Einwohnern. So etwas scheuen wir normalerweise wie der Teufel das Weihwasser – aber es ist nun Mal eine unumgängliche Zwischenstation auf unserer Route.
Wir werden dennoch angenehm überrascht:
Schon während der Durchfahrt begeistern sich einige Verkehrsteilnehmer für uns, da sie offensichtlich Fern-Reisende mit schweren Motorrädern und noch dazu eine Frau auf einer großen Maschine in ihrer Stadt nicht gewohnt sind. Wir werden im Vorbeifahren fotografiert, gefilmt und freudig begrüßt.
Die Innenstadt und umliegenden Märkte mit ihrem bunten Treiben sind auf jeden Fall sauberer als Marseille und sicherer als Barcelona. Praktisch finden wir deren aufgeteilten Bereiche: Alle Fachgebiete befinden sich meist geballt an einem Ort, von den Schneidern, über die Zahnmedizin, Krankenhäuser, Autoteile, Elektrogeräte bis hin zu Schöhnheitsinstituten und Cafés. Trotzdem die kulturellen Highlights, wie die Kathedrale, sehr beschränkt sind, sind wir fasziniert, fühlen uns wohl und verlängern nochmal um zwei Tage.
Der weitere Weg über die Ruta 7 erweist sich als langwierig, da diese aktuell noch ausgebaut wird und voller Baustellen ist:
Samaipata
Als Nächstes steuern wir Samaipata an, das nicht nur mit 1600m über dem Meeresspiegel einer langsamen Gewöhnung an die kommenden Höhen, sondern auch noch ein archäologisches Schätzchen anbietet:
Einen riesigen gravierten und bearbeiteten Felsbrocken von 200m x 40m Größe um den sich im 3. Jhd. Kulturen wie die Chané, im 14. Jhd. die Inkas bis hin im 16. Jhd. die Spanier angesiedelt hatten, die dort letztendlich eine kleine Festung errichteten. Daher stammt auch der irreführende Name „Fuerte de Samaipata“.
Auf der Oberseite des Steins befinden sich verschiedene Gravuren von Tieren und zwei lange parallele Kanäle, von denen man bis heute nicht weiß, was durch sie geflossen ist. Seitlich wurden mehrere verschieden große Schreine eingelassen, in denen man vermutlich Skulpturen und Mumien aufbewahrte. Die Archäologie rätselt immer noch bezüglich der genauen Verwendung dieser Stätte.
Ansonsten ist Samaipata selbst ein authentisches Städtchen, dass auch allerlei Bequemlichkeiten für Touristen anbietet ohne all zu sehr touristisch zu sein.
Als die Ruta 7 jedoch zur, bereits ausgebauten, Ruta 5 anschließt, eröffnet sich uns ein Traum an Landschaft, Asphalt, vielen Kurven, luxuriösen Kehren und sensationellen Ausblicken mit kaum Verkehr, der uns für die anstrengendere Strecke zuvor mehr als entschädigt. Allein diese Landschaft lohnt schon einen Besuch Boliviens – und wir befinden uns noch vor den Höhepunkten wie der Hauptstadt Sucre, der Salzwüste Uyuni oder dem Titicaca-See!
TIPP:
Es empfiehlt sich, die täglichen Schlagzeilen zu dem Gebiet zu lesen, in dem man sich gerade befindet oder in das man reisen möchte (z.B. mit Google News, Schwerpunkt Bolivien) oder ein Blick auf die aktuelle Straßenlage auf der Webseite der bolivianischen Regierung.