Nach den Iguaçu-Wasserfällen der brasilianischen Seite
unternehmen wir nochmal einen kleinen Abstecher ca. 500 km südlich und befinden uns damit wieder in der Region Rio Grande do Sul, die wir schon letztes Mal in Brasilien bereist hatten.
Die Jesuiten-Missionen
Hier hat sich die katholische Kirche seinerzeit auf die Seite der einheimischen Guaraní geschlagen, wenn auch der ursprüngliche Zweck – die Gewinnung neuer christlicher Seelen – selbstverständlich Eigennutz war. Die Missionare gründeten nicht nur ihre so genannten Reduktionen, deren religiöser und administrativer Mittelpunkt, immer eine Kirche und sie als Geistliche waren, sondern sorgten darin auch für sichere Behausungen und Schutz vor portugiesischen Sklavenhändlern, betrieben Land- und Viehwirtschaft, vergaben Kleidung und ausreichend Nahrung für die dort lebenden Indianer (die diese als Gemeinschaftsgut zuvor erarbeitet hatten). Eine Art christlicher Sozialismus also – inklusive Schulen, Krankenstationen und geregelten Arbeitszeiten. Die Missionare lernten einerseits die indigene Sprache und bildeten andererseits die Guaraní unter Anderem auch im Handwerk aus, z.B. auch im Bau und der Nutzung von (europäischen) Musikinstrumenten. So wurden auch die neue Musik und der kirchliche Gesang ein beliebter Bestandteil des christlichen Lebens unter den Eingeborenen. Als Mitglieder der Mission und katholischen Gemeinschaft waren sie auch keine Sklaven und das erwirtschaftete Gut war für die Gemeinschaft bestimmt – was später im Widerspruch zum Willen der portugiesischen bzw. spanischen Krone stand. So kam es schlussendlich dazu, dass die Siedlungen zur Verteidigung ihres Besitzes und des freien Lebens ihrer Schützlinge eigene Indio-Milizen gegen Sklavenhändler und die Soldaten der Kolonialmächte bildeten. Alles in Allem ein vielschichtiges und interessantes Thema, dem sich auch in idealisierter Kurzform der Film „Mission“ aus dem Jahr 1986 mit Robert de Niro und Jeremy Irons widmet oder das auch etwas ausführlicher bei Wikipedia beschrieben ist.
In São Miguel das Missões besuchen wir daher die Ruine der, dort seit 1735 erbauten, Mission, die zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört und lauschen am Abend, bei Dunkelheit, im Areal der Ruine dem aufwändigen Hörspiel mit Lichteranimation deren Geschichte. In der Wintersaison leider nur auf portugiesisch 🙁
Selbstverständlich widmen wir uns auch der einheimischen Ess- und Trinkkultur: Thomas begeistert sich für das gute und immer kalte brasilianische Bier, das oft in den Lokalen innerhalb von Zapfsäulen mit integriertem Kühler am Tisch serviert wird, während ich die Qualität des hiesigen Cachaça (Zuckerrohrschnaps) im unvermeidlichen Caipiriña prüfe. Beide frönen wir dann den lokalen Spezialitäten, wie Fleisch vom Churrasco (Grill), Fisch, Polenta, Manniokwurzeln, gefülltem Chayote-Gemüse oder Borreado (maximal geschmorter Eintopf aus dem Tonkessel) die uns innerhalb der beliebten Buffets oder in Lokalen angeboten werden. Leider oft auch in (süchtigmachender) frittierter Form, die uns in unheilvoller Kombination mit leckeren Kuchen und Desserts wie gebackene Bananen, Nussbutterriegeln oder Açai-Sorbet einige Kilo Lebendgewicht mehr bescheren. So müssen wir im Nachhinein eigentlich dem brasilianischen Grenzbeamten dankbar sein, der Thomas aus unerfindlichen Gründen nur sechs Wochen Visum ausgestellt hat und uns damit vor weiterem ausuferndem Konsum der brasilianischen Küche bewahrt.
Nach der Erweiterung unseres historischen Horizontes bewegen wir uns schnellstmöglich wieder nord-östlich in die Provinz Paraná, in Richtung der atlantischen Küste. Dabei durchqueren wir auf dem Weg nach dem alten Kolonialstädtchen Morretes wieder den herrlichen atlantischen Regenwald, der uns schon auf der Straße unter dem Helm mit intensiven und schweren Gerüchen nach unbekannten Blüten überrascht. Das, in der Wintersaison, etwas verschlafene Morretes ist genau nach unserem Geschmack und wird nur an den Tagen belebter, in denen es Touristen mit dem legendären Zug Serra Verde Express von der Provinzhauptstadt Curitiba hierher bringt.
Auch wir nehmen diesen Klassiker unter den Eisenbahnfahrten, der nach den Iguaçu-Wasserfällen die Hauptattraktion in dieser Provinz ist und als eine der spektakulärsten Zugstrecken der Welt gilt, da sie über 30 Brücken und 13 Tunnel mitten durch den Regenwald führt. Sie wurde ab 1880 in nur fünf Jahren von insgesamt 9000 Arbeitern zentimeterweise, mit manchmal nur 35 cm täglich, dem Dschungel entrissen und bietet sensationelle Aussichten.
Die nächsten Tage verbringen wir bei Regen und verträglichen 18 Grad bis wir weiter an die Küste fahren.
Wie immer super geschrieben und wie es allen geht, macht es Lust auf mehr. Ich finde es toll das ihr beide euren Traum lebt. Noch gute Fahrt und bleibt gesund und genießt die gemeinsame Zeit.
Vielen Dank. Solche Kommentare wärmen uns an regnerischeren Tagen im brasilianischen Winter .
Endlich hab ich etwas Zeit Deine sehr interessanten Reiseberichte zu lesen. Ganz tolle Fotos, super Perspektiven mit Liebe fürs Detail. Ganz lieben Gruß von mir und Volker auch an euch beide 🙂
Vielen Dank, das freut uns. Wir waren die letzten beiden Tage auf Mini-Safaris im Pantanal und dadurch größtenteils offline. Freu dich auf die Tierfotos…