Wir fahren dieses Mal zurück mit einer kurzen Fähre nach Puerto Montt. Von dort aus weiter an den Lago Llanquihue, den zweitgrößten See Chiles, der noch um mehr als 300 qkm größer als der Bodensee ist. Den Campingplatz wählen wir gemäß der Aussicht auf die umliegenden Vulkane aus und finden einen, der am Strand direkt nach beiden Seiten einen solchen bietet. Mit einer genussvollen längeren Aussicht wird es leider nix – geschuldet der wochenendlichen alkoholträchtigen Feierwut der musikliebenden chilenischen Nachbarn, die schon mittags beginnt und sich am späten Nachmittag an ihrem Höhepunkt mit Karaoke in Bierzelt-Lautstärke einpegelt. Damit nicht genug, ist auch noch Tábano-Saison. Diese, hier vertretene, Bremsenart fliegt zu dieser Jahreszeit Angriffe aus dem Hinterhalt. Fortbewegung im Freien ist dann teilweise nur noch mit ewig kreisenden Armbewegungen um den Kopf und Oberkörper zur Abwehr möglich. Picknick oder Wandern verleidet. Die Chilenen kennen das und können sogar den Tag des Endes der jährlichen Plage benennen. In diesem Jahr wohl der 16. Januar.
Nun wollen wir endlich mal ein bisschen Pazifik sehen und machen uns deshalb ganz blauäugig in diese Richtung auf und wollen dort auch die indigene Kunst der Holzskulpturen bewundern. Zuerst braucht es natürlich eine Übernachtungsmöglichkeit und wir erkunden Campingplätze und Hostels. Erstere werden entweder auch von Schweinen frequentiert oder sind komplett geschlossen und Letztere sind sehr rar gesät. Trotz der landschaftlichen Schönheit der Küste und der malerischen und einladenden Flussmündungen ins Meer, fällt uns auf, dass hier Tourismus offensichtlich gar nicht erwünscht ist und die Polizeikontrollen verwundern uns zusätzlich. Später recherchieren wir, dass wir uns im Mapuche-Gebiet befunden hatten, in dem wegen Aufständen und einigen terroristischen Übergriffen immer noch der Ausnahmezustand herrscht. Ihre Regionen konnten die Mapuche seinerzeit sogar vor den spanischen Eroberern erfolgreich verteidigen. Erst durch moderne Waffengewalt war es später möglich, ihnen diese zunächst zu entreißen und später wieder zuzusprechen – jedoch z.B. ohne das Recht, Land zu verkaufen. Näheres dazu bei Wikipedia
Das 2. Mal versuchen wir weiter nordwärts unser Glück in Richtung Küste und landen abseits der Großstadt Concepciòn in einer, höher im Wald gelegenen, Cabaña inmitten von Apfelbäumen. Die Besitzer der Anlage haben einen idyllischen Wanderpfad durch den Wald, vorbei an Bachläufen und über Stock und Stein, runter zur Küste, für ihre Gäste angelegt. Sie beziffern ihn schlitzohrig mit einer halben Stunde Marschroute. Etwa drei Mal so viel dürfte hinkommen, ganz zu schweigen vom Rückweg. Thomas schimpft, Thomas schwitzt und hat zum Schluss 28 Stockwerke und 16.000 Schritte bewältigt. 🤣
Als nächsten Küstenort suchen wir uns Constitution aus, machen einen Campingplatz direkt am Meer klar und fahren weiter an die Strandpromenade um uns ein leckeres Ceviche (in Zitrone gegarter roher Fisch oder Meeresfrüchte) zu gönnen. Nebenbei bewundern wir den relativ starken Wellengang am Badestrand. Als wir bei der Bedienung noch etwas bestellen wollen, starrt diese nur angstvoll aufs Meer und schwadroniert in rasendem Spanisch. Das einzig verständliche Wort lautet „Tsunami“. Wir schwenken etwas skeptisch unseren Blick aufs Meer und sehen, dass sich dieses urplötzlich zurückgezogen hat und absolut kein Wellengang mehr herrscht. Im gleichen Augenblick schrillt mein Handy mit Alarm-Nachrichten: „Tsunami-Warnung – diese Küstenzone sofort verlassen.“ OK…das ist ernst! Wir zahlen bei der hektischen Imbiss-Crew und begeben uns mit den anderen mehr oder weniger panischen Strandbesuchern zu den Autos hinein in einen kleinen Verkehrs-Stau in höhere gelegene Gebiete.
Im Nachhinein erfahren wir, dass die Ursache der Ausbruch des Vulkans in Tonga war und dass er in Chile nur eine 1 m hohe Welle verursacht hat. Aber seit dem zerstörerischem Beben von 2010 mit anschließenden Tsunami-Wellen von über acht Metern und hunderten von Opfern hat dieses Thema in Chile Priorität. Wir betrachten nun Tsunami oder Vulkanausbruch-Evakuierungsschilder mit anderen Augen…
Weiter die Küste rauf kommen wir nach Pichilemu, einem bekannten Surfer-Spot. Wir achten bei der Wahl unseres Hostels auf dessen Höhe über dem Meeresspiegel und sehen auch dort noch die Sperrungen anlässlich des Tsunamis. Nichtsdestotrotz lassen wir uns das Ceviche, den Pisco sour und die Churros (ausgebackene Rührteig-Röhren) mit Nutella schmecken und fliehen nur auf Grund der mäßigen Temperaturen und des Windes wieder in Richtung Santiago.
Aber noch nicht ganz, denn wir umfahren die Hauptstadt um in ein nahegelegenes Wochenendziel der Santiagoer zu kommen – den Cajón de Maipo. Dort suchen wir den Campingplatz Los Nogales aus, der eine eigene kleine Sternwarte hat, was sich als goldrichtige Entscheidung herausstellt. So kommen wir an einem Abend gegen kleines Entgelt in den Genuss einer leicht verständlichen Astronomiestunde und der Möglichkeit, das Gelernte am Nachthimmel durch das Teleskop direkt nachzuvollziehen. Nach dieser genialen Wissensbereicherung fahren wir nun endgültig wieder nach Santiago um Hostalito wieder seinem Schicksal als Umzugstransporter zu überlassen.