Unser nächster Aufenthalt ist die südliche Metropole Agadir. Seit es 1960 komplett von einem Erdbeben zerstört wurde, ist die Einwohnerzahl von ehemals 50.000 (wovon damals ca. 15.000 Menschen starben) auf knapp 700.000 gestiegen. Es bietet alle Annehmlichkeiten einer Großstadt plus einem schier unendlich langem Sandstrand von 9 km, der in seinem nördlichen Teil von einer Uferpromenade und Hotelketten gesäumt wird. Aber auch hier sind die Touristen wegen Corona zählbar.
Da ich aus persönlichen Gründen kurz nach Deutschland fliegen muss, überlasse ich Thomas seinem Schicksal in einem komfortablen AirBnB in der Nähe des Hafens, wo er von Vermieterin Fatima und ihrer Familie umsorgt wird und seinerseits eine kleine Katzenfamilie betreut. Er nutzt die Zeit zu einem Ausflug ins nahe Paradise Valley, einem früheren Hippie-Paradies, das sogar Jimi Hendrix besucht haben soll. Auf Grund der falschen Jahreszeit gibt es aktuell nur wenig Wasser dort, geschweige denn einen Wasserfall und Thomas frönt seinem neuesten Laster: einem täglichen Tajine (marokkanischer Eintopf, der in einem kegelförmigen Tontopf schmort).
Nach meiner Rückkehr machen wir uns auf, gen Süden Richtung West-Sahara. Unterwegs finden wir zufällig ein idyllisches Plätzchen zwischen Mirleft und Sidi Ifni. Dort quartieren wir uns kurzentschlossen in ein Gästezimmer des Café Restaurants „Soleil couchant“ ein, wo wir schon vom Bett aus den Strand sehen können und verweilen dort ein paar Tage.
Bei der Weiterreise ist auch ein Ausflug zum bekannten Legzira Beach mit der noch bekannteren Steinformation drin.
In Sidi Ifni, bekommen wir nach dem Frühstück von einer Wirtin des Hostels „La Suerte Loca“ den Tipp, doch die neue und frisch asphaltierte Küstenstraße zu fahren, die momentan noch auf Google Maps als Piste oder nicht existent geführt wird. Das machen wir glatt und erleben eine wunderschöne und kurvige Strecke von ca. 100 km, auf der wir keinem einzigen Auto begegnen. Erst als wir wieder landeinwärts Richtung Guelmim schwenken, treffen wir auf ein paar Menschen. Von dort aus fahren wir die einzige, wiederum sehr stark vom Lasterverkehr zur Wüste betroffene und windige, Nationalstraße nach Tan Tan – dem Tor zur West-Sahara.
Wir bleiben nicht in Tan Tan selbst, sondern begeben uns wieder ca. 20 km Richtung Küste, nach El Ouatia. Nachdem mir während der kurzen Besichtigung unseres gebuchten Appartements schon zwei prächtige Kakerlaken über den Weg laufen, storniert der Mitarbeiter vor Ort verständnisvoll unsere Reservierung. Auf der Suche nach einer neuen Unterkunft werden wir vom gewitzten und mega-symphatischen Parkwächter des Hotels „La Belle Vue“ eingefangen, der gleich auch noch ersatzweise die Funktion des Hotel-Managers übernimmt und uns ein sehr sauberes Zimmer direkt über der Strandpromenade zeigt. Das nehmen wir, haben dort von unserem Balkon einen genialen Ausblick auf den Sonnenuntergang und verlängern zwei Mal, weil es so schön ist.
Wir beschließen aus Zeitgründen von dort aus nur noch einen Ausflug in die West-Sahara zu machen, zum Nationalpark Khnifiss. Die Route dorthin verläuft weiterhin direkt an der Küste, vorbei an mit Anglern bevölkerten Klippen. Unerwarteter Weise fahren wir immer wieder in kühlen und feuchten Nebel ein. Auf Grund des damit vermischten Sandes wirkt dieser aus der Ferne leicht rosa und damit allein schon sehr bizarr in dieser Wüstenlandschaft.
Auf dem Weg zur West-Sahara werden wir das erste Mal wirklich sehr eingehend von einem äußerst freundlichen Gendarmen kontrolliert, inklusive Kopieren der Pässe und Fotografieren der Kennzeichen. Er macht uns noch genauere Angaben zum Finden der, in Google nicht auffindbaren, abzweigenden Straße zum Nationalpark und weist uns darauf hin, bei Schwierigkeiten unbedingt die Gendarmerie zu informieren. Etwas deutlicher wird er leider nicht. Wir fahren frohgemut weiter und entdecken dann auch nach intensiver Suche die besagte Straße, die, mit Sand bedeckt, eigentlich nicht mehr zu erkennen war. Die Entscheidung, ob wir sie weiter hineinfahren sollen oder nicht, nimmt uns eine tiefe Sandverwehung ab: Ich mache einen Schlenker nach links und gleich den nächsten nach rechts und hebe über eine auslaufende Fahrbahnbegrenzung als Schanze in den Straßengraben ab. Gottseidank ist auch dieser mit feinstem Sahara-Sand befüllt und so bleibe ich gut abgepolstert mit dem Vorderrad der Fat Lady drin stecken. Hier macht sich meine fehlende Erfahrung im Sand bemerkbar, die ich mir im, coronabedingt ausgefallenen, Offroad-Training erwerben wollte.
Leider besitzen wir noch nicht die Abgebrühtheit Fotos dieser Situationen zu machen – ich bin dabei immer noch zu beschäftigt mit der Frage um die Fahrtüchtigkeit der Fat Lady und Thomas mit der meinen 😉.
Zwei hilfsbereite marokkanische Stroh-Lastwagenfahrer halten sofort an und gemeinsam bugsieren wir die Fat Lady aus dem Sand zurück auf die Straße. Nachdem nun meine Laune nicht mehr die Beste ist, fahren wir zurück zum Hotel, wo ich mir erst mal ein Bier aus Thomass Fundus genehmige.
Am nächsten Tag fahren wir von Tan Tan aus wieder nach Sidi Ifni zurück und nehmen dieses Mal das „Suerte Loca“ Hostel als Unterkunft. Die Küche ist dort fantastisch und die Location an sich schon absoluter Kult mit einem wilden Mix aus dem Humphrey-Bogarts-Film „Casablanca“ und Power-Flower. Wir bewegen uns weiter zurück Richtung Agadir und wollen als Nächstes nach Essaouira. Alle schwärmen davon – da müssen wir hin!